Kaktus-Food & Klimawandel

Heute falle ich gleich mit der Tür bzw. dem Thema ins Haus: der Klimawandel, er findet statt.

Und seine vielfältigen Auswirkungen machen sich natürlich auch in der Landwirtschaft bemerkbar. Welche Pflanzen werden künftig wo wachsen? Welche sind deutlich hitzeresistent und trockentolerant? Wie kann oder muss sich die Lebensmittelproduktion hier umstellen? Und welche Lösungen gibt es hierfür abseits der herkömmlichen, meist technoiden Antworten?

Diesen Fragen gehen nicht nur Umweltschutzorganisationen, die Politik, Bauern und Bäuerinnen oder die Agrarwirtschaft nach – sondern auch die zeitgenössische Kunst. Diesmal also bei ArtFood: das Künstlerkollektiv desert ArtLAB – zu sehen in der aktuellen Ausstellung „Mahlzeit“ des Dom Museums Wien (Infos am Ende des Postings).

Der Tisch ist gedeckt, die Menüfolge liegt bereit, die Teller sind gefüllt: mit Kakteen. Dieses Desertification Dinner wurde eigens für die Ausstellung im Dom Museum Wien entwickelt.

desert ArtLAB: Desertification Dinner, 2022. Courtesy of the artist, © desert ArtLAB, Ausstellungsansicht Dom Museum Wien, 2022. Fotografin: Lena Deinhardstein.

Die Kakteen sind aber nicht als Witz oder gar als Drohung gedacht. Sie verweisen vielmehr auf den ökologischen Schwerpunkt des Künstlerkollektivs desert ArtLAB. Deren sozial-kulturelle Projekte beschäftigen sich mit Wüstenlandschaften und dem ur-alten Wissen von indigenen mexikanischen Bevölkerungsgruppen. Diese lebten bzw. leben im Einklang mit dem jeweiligen Naturraum und machen ihn gleichzeitig für sich nutzbar.

Welche essbaren Pflanzen überleben in bei extremer Trockenheit? Was lässt sich unter derartigen Bedingungen an Lebensmitteln produzieren? Ohne Düngemittel oder künstliche Bewässerungssysteme? Und wie kann man beispielsweise aus Kakteen eine Mahlzeit machen?

Es geht also darum, vorhandenes ökologisches Wissen über gesunde bzw. funktionierende Wüstenlandschaften wieder zu beleben und künftig in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels nutzbar zu machen.

desert ArtLAB: Desertification Dinner, 2022. Courtesy of the artist, © desert ArtLAB. Ausstellungsansicht Dom Museum Wien, 2022. Fotografin: eSeL.at – Joanna Pianka.

Damit wird auch sichtbar, dass sich das Wissen von im Lauf der Geschichte marginalisierten Bevölkerungsgruppen als wesentlich für die Zukunft der Menschheit erweisen kann. Alte Lösungen für neue Probleme – das lässt sich durch den Einsatz indigener landwirtschaftlicher Praktiken erreichen.

The Desertification Cookbook
Seit 2016 läuft das Langzeitprojekt The Desertification Cookbook. Eines der Ziele liegt darin, Wüstenlandschaften nicht als quasi post-apokalyptisches Ödland anzusehen. Diese können vielmehr, aufgrund des vorhandenen indigenen Erfahrungswissens, eine künftige kulinarische Quelle mit ökologischen Chancen und Möglichkeiten sein.

Konkret wird beispielsweise im Bezirk Pueblo im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado daran gearbeitet, einen verödeten Landstrich zunächst zu revitalisieren. Diese Transformation soll letztlich die ursprünglich vorhandene Flora und Fauna wiederherstellen, um dadurch eine Vielfalt an essbaren und auch medizinisch nutzbaren Pflanzen zu erhalten.

Im Zuge dieses langjährigen Projekts werden also Strategien entwickelt und getestet, wie Ernährung in für den Menschen grenzwertigen Umgebungen künftig besser funktionieren kann.

Ein wichtiger Ansatz bei desert ArtLAB ist immer auch die soziale Komponente. Das indigene Wissen um die Erzeugung von Lebensmitteln in Dürregebieten wird durch diese Projekte nicht nur re-aktiviert.

Mittels mobiler sogenannter Eco-Studios werden verschiedene Kakteenarten sowie entsprechendes Saatgut auch in urbane bzw. neu entstehende Trockengebiete gebracht. Und im Rahmen von Workshops werden dann Anbautechniken, Zubereitungsarten und Kochrezepte für Kakteengerichte vermittelt.

Letztlich steckt in diesen Projekten auch eine politische Botschaft: und diese handelt von Wertschätzung des Wissens marginalisierter Bevölkerungsgruppen, von indigener Ernährungssouveränität sowie Selbstbestimmtheit bezüglich der Produktion lokaler Lebensmittel abseits der Pfade der globalisierten Nahrungsmittelindustrie.

ArtFood: Essen mit Kunst.


Infos & Quellen
*Dom Museum Wien, Ausstellung „Mahlzeit“, bis 27. August 2023. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen.
*Künstlerkollektiv desert ArtLAB, April Bojorquez und Matthew Garcia: Website.

Bilder:
*Titelbild: desert ArtLAB, Desertification Dinner, 2022, Courtesy of the artist, © desert ArtLAB. Ausstellungsansicht „Mahlzeit”, Dom Museum Wien, 2022. Fotografin: eSeL.at – Joanna Pianka.
*Kakteen in der Wüste: David Mark, Pixabay.
*Installationsansicht: desert ArtLAB, Desertification Dinner, 2022, Courtesy of the artist, © desert ArtLAB. Ausstellungsansicht „Mahlzeit”, Dom Museum Wien, 2022. Fotografin: DMW / Lena Deinhardstein.
* Kaktus in der Küche: Denise Husted, Pixabay.
*Installationsansicht Detail: desert ArtLAB, Desertification Dinner, 2022, Courtesy of the artist, © desert ArtLAB. Ausstellungsansicht „Mahlzeit”, Dom Museum Wien, 2022. Fotografin: eSeL.at – Joanna Pianka.
*Andere: desert ArtLAB Website.

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