Weil dieser Rausch keinem anderen gleicht

Wie gesagt (im letzten Posting hier): das Beste an Austern ist der Champagner! Warum und wie man diesen genießt bzw. wie man sich stilvoll betrinkt, erzählt die belgische Schriftstellerin Amélie Nothomb in ihrem wunderbar leichtfüßigen, schrägen Roman „Die Kunst Champagner zu trinken“.

Es gibt viele berühmte und oft zitierte erste Sätze in Romanen – aber dieser hier zählt sicher zu den Vielversprechendsten: „Einen Rausch sollte man nicht improvisieren.“

Und es folgen weitere philosophische, ja poetische Betrachtungen zum Trinken: „Sich zu betrinken ist eine Kunst, die Talent und Sorgfalt erfordert.“

„Nichts macht mich trauriger als Menschen, die vor der Verkostung eines großen Weins `einen Happen essen´ wollen: Das ist eine Beleidigung des Essens und noch viel mehr des Getränks. …Beim Trinken den Rausch vermeiden zu wollen, ist ebenso kläglich, wie sich beim Hören sakraler Musik gegen das Gefühl des Erhabenen zu sperren.“

„Jahrelang habe ich getrunken wie alle anderen auch, mehr oder weniger harte Sachen, was halt der Abend so hergab.“

Die Ich-Erzählerin des Romans, eine Schriftstellerin, will sich diesbezüglich aber weiterentwickeln. Also startet sie ein Experiment: sie fastet für sechsunddreißig Stunden – und bricht ihr Fasten dann mit Veuve-Clicquot.

„Beim ersten Schluck wusste ich, dass ich recht gehabt hatte: Noch nie hatte mir Champagner so köstlich geschmeckt.“ Sie trinkt weiter, fühlt sich wie in einem höheren Bewusstseinszustand, wie in Trance, schließlich stellen sich Visionen ein.

„Gold, Silber und Edelsteine glitzerten und klirrten, ein schlängelndes Geschmeide, das auf mich zu kroch.“

„Beim nächsten Glas begriff ich, dass das Getränk ihm wesensverwandte Visionen hervorrief: das Gold seines Kleids war in die Armreife gegossen, die Bläschen in die Diamanten. Und der Kühle des Silbers entsprach die Kälte des Schlucks.“

„Warum Champagner? Weil dieser Rausch keinem anderen gleicht. Jedes alkoholische Getränk hat seine besondere Schlagkraft; Champagner ist das einzige, das keine ordinären Metaphern hervorruft. Er erhebt die Seele in einen Zustand … Champagner macht liebenswürdig und selbstlos, verleiht Leichtigkeit und Tiefe, steigert die Liebe und verleiht deren Verlust Eleganz.“

Und auch am nächsten Tag, nachdem sie eine Flasche geleert hatte, ist alles herrlich leicht: „Beim Auftauchen verspürte eine neue Lust. Als wäre ich in Zucker kandiert … mein Geist schwamm buchstäblich in Ideen.“

Nun will sie diese Erfahrungen mit jemanden teilen: „… fehlte zur Vollkommenheit dieses Zustands nur eines: jemand, mit dem ich ihn teilen konnte. … Mir fehlt ein Saufkumpan oder eine -kumpanin“.

Da sie erst unlängst nach Paris gezogen war, hatte sie noch keinen Freundeskreis. Aber sie ist zuversichtlich: „In der Lichterstadt muss es jemanden geben, mit dem man Licht trinken kann.“

Und tatsächlich: im Rahmen einer Signierstunde in einer Buchhandlung lernt sie Pétronille Fento kennen – Studentin der elisabethanischen Literatur und künftige Schriftstellerin.

Im Café Gymnase – „der Archetyp eines Pariser Bistros“ – trinken sie schließlich ihre erste Flasche Champagner miteinander, einen gut gekühlten Brut von Roederer, der Crystal ist leider grad aus.

Und Pétronille teilt ihre Begeisterung für Champagner. „Neben zahllosen anderen Annehmlichkeiten hat der Champagner die Gabe, mich zu trösten. Und selbst wenn mir nicht klar ist, weshalb ich Trost brauche, der Champagner weiß es bestimmt.“

„Wie leerten gemeinsam unsere Gläser und teilten unsere Enttäuschungen.“

Nach einer längeren Pause treffen die beiden einander wieder – und dann folgt eine Champagner-Verkostung im Ritz, die etwas aus dem Ruder läuft, ein Besuch bei Vivienne Westwood, der dazu führt, dass die Erzählerin mit Westwoods Hund Gassi gehen muss, eine gemeinsame Flasche Taitinger in der Bahnhofskneipe in Paris, Champagner trinkendes Skifahren, Silvester bei Pétronilles Eltern und der kommunistischen Ortsgruppe in Antony und vieles mehr.

Die Story geht dann herrlich schräg zu Ende – wie, das wird hier natürlich nicht verraten (auch wenn dies hier kein Literatur-Blog ist, sowas macht man einfach nicht.)

ArtFood: Essen mit Kunst.

PS: Das erwähnte Austern-Posting findet ihr hier: Das froschähnliche Tier, das zwischen seinen Schalen hockt.


Infos & Quellen
* Amélie Nothomb: Die Kunst Champagner zu trinken. Aus dem Französischen von Brigitte Große; Diogenes Verlag, 2017.

Bilder:
*Titelbild:Myriams-Fotos, Pixabay.
*Korken & Agraffe: tocc, Pixabay.
*Sekt-Gläser: G.C., Pixabay.
*Sektglasständer: Sierra Shao, Pixabay.
*Zwei Sektschalen: Myriams-Fotos, Pixabay.
*Gläser, Sektkühler: Rosy, Pixabay.
*Champagnerschalen: Anrita, Pixabay.
*Sektgläser & Flasche: Myriams-Fotos, Pixabay.

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