Die Petersilie der Tropen

Eine Packung bunte Pfefferkörner um 1,29 Euro? Ein Römer der Antike oder ein Venezianer des 15. Jahrhunderts würde vermutlich fassungslos vor den heutigen Preisschildern stehen – viel zu billig alles!

Wie konnte die Republik Venedig damit im 15. Jahrhundert unermesslich reich werden?

Gewürze gehören zu den ältesten Handelsgütern der Welt – ihretwegen wurden Schiffsflotten gebaut, Ozeane überquert, unbekannte Regionen entdeckt & erobert, Völker unterworfen und getötet, Unsummen an Gold oder Dukaten ausgegeben.

Ärzte, Adelige …
Pfeffer zählt zu den ältesten gebräuchlichen Gewürzen. In südindischen Tempeln wurde er für religiöse Rituale verwendet, in der traditionellen chinesischen Heilmedizin galt er immer schon als Heilkraut, auch der antike griechische Arzt Hippokrates verwendete ihn als Medikament.

Hildegard von Bingen, mittelalterliche Universalgelehrte, bekannt für ihre Naturheilkunde, empfahl Pfeffer bei mannigfachen Beschwerden: bei schwachen Nerven, zum Ausgleich von Hitzeattacken, zur Steigerung der Schaffenskraft, Fröhlichkeit bzw. Genialität und schließlich auch als „Magensaftlockerer“ bei träger Verdauung.

Weil sein Transport von der indischen Malabarküste nach Europa so umständlich, zeitraubend und gefährlich war, wurde Pfeffer eine Zeitlang als Zahlungsmittel verwendet. In Europa wog man ihn mit Gold auf, weil er so selten war. Und noch im Mittelalter wurden manchmal Pachten, Mitgiften und Steuern mit Pfeffer bezahlt.

Adelige und die reiche Bürgerschicht verwendeten Pfeffer recht verschwenderisch. Als Luxusgut versprach er Prestige, er war ein Statussymbol. Die wohlhabende Oberschicht im alten Rom verwendete ihn gar zur Dekoration, in silbernen Schalen verbreitete er im vornehmen Haushalt seinen würzigen Duft.

Weißem Pfeffer kam dabei lange Zeit eine besondere Stellung zu: das Appetitlexikon aus dem Jahr 1894 bezeichnet ihn gar als „aristokratisch, obgleich es im 19. Jahrhundert nicht mehr zu den Geboten der Höflichkeit gehört, bei Anwesenheit eines vornehmen Gastes die Pfefferbüchse nur mit gestoßenem weißem Pfeffer zu füllen.“

… und Äbte
Ein Luxusgut, das dem Adel und den Reichen vorbehalten war? Da waren die Äbte und Priester auch nicht weit. Man konnte es sich leisten: angeblich war der Erzbischof von Arles im Jahr 1431 Dauerkunde für exotische Gewürze, wie Ingwer, Nelken, Muskat, Zimt – und eben auch Pfeffer. Dieser wurde für Opferspeisen ebenso wie für Einbalsamierungen verwendet, und auch zu Fastenzeiten war er erlaubt. Aber nicht überall in der klösterlichen Welt waren Gewürze wie Pfeffer willkommen.

Der heilige Bernhard von Clairvaux, mittelalterlicher Abt und einer der bedeutendsten Mönche der katholischen Zisterzienser, predigte entschieden gegen diese weltlichen, exotischen Genüsse: diese würden stets „die Esslust aufs Neue aufleben lassen“. Und dadurch eine unnötige, ja verwerfliche, weil ablenkende Reizung der Sinne verursachen – was die Gedanken und Herzen der Mönche und Priester von der Hinwendung zu Gott abhält.

Pfeffer als irdisches Paradies
Eine Gefahr für die Frömmigkeit, so die Schlussfolgerung des Heiligen Bernhards: „Die Erregung des Geschmacks und die Kochkunst sind im Bunde mit den Täuschungen der fleischlichen Gelüste, die die Leidenschaften des Magens in Bewegung setzen und den Mönch jedes Maß verlieren lassen.“ Pfeffer bzw. exotische Gewürze sind „keine Speisen der Seele, sondern entzünden die Begierden und entfernen damit den Menschen von Gott“. Sie versprechen ein irdisches Paradies – wo doch das mönchische Leben auf das spätere himmlische Paradies ausgerichtet soll.

Schärfe & Würze
Natürlich diente Pfeffer immer schon zum Würzen von Speisen, auch wenn er für sich genommen ja eigentlich nur scharf ist, manchmal bitter, vielleicht sogar unangenehm. „Die Menschen unterscheiden sich von sämtlichen allesfressenden Säugetieren unter anderem dadurch, dass sie als einzige Nahrungsmittel konsumieren, die bei den drei oder vier erstmaligen Versuchen einen unangenehmen Geschmack haben.“

Besonders im Mittelalter wurden die meisten Speisen so stark gewürzt, dass der Eigengeschmack überdeckt wurde – das galt als Merkmal einer gehobenen Küche. Und Pfeffer machte auch vor Wein nicht Halt: insbesondere Römer und Griechen mischten während oder nach der Gärung Kräuter, Honig, Blüten dazu – oder auch Pfeffer.

Wie alles begann – ein wenig Geschichte
Pfeffer stammt ursprünglich aus Indien. Entsprechend umständlich waren die Transportwege: Karawanen, Kamelzüge, Segelschiffe waren teils ein ganzes Jahr unterwegs. Ein mehr oder weniger großer Teil der Ware ging unterwegs verloren, Stürme brachten Schiffe zum Kentern, Diebe überfielen Karawanen, säckeweise wurde die kostbare Fracht abgezweigt & privat verhökert.

Auf den europäischen Tellern landete Pfeffer erstmals nach dem Indien-Feldzug von Alexander dem Großen in den Jahren 326 und 325 vor unserer Zeitrechnung. Die antiken Römer waren ganz vernarrt in Pfeffer. Weil sie aber die hohen Preise der Händler für die Importe nicht bezahlen wollten, eroberten sie kurzerhand entsprechende Gebiete – Problem gelöst, zumindest für einige Zeit. Denn das römische Reich ging unter, auch wenn es sich im Jahr 410 noch mit Pfeffer, Gold und Silber freizukaufen versuchte.

Die Lücke in der Pfefferversorgung übernahmen indische und arabische Händler – bis schließlich La Serenissima, nämlich die Republik Venedig zur führenden Handelsmacht des Mittelalters aufstieg.

Venedig beherrschte bald den gesamten europäischen Pfeffermarkt. Es wurden eigene Pfefferflotten für den Import aus Indien gebaut und Venedig konnte in ganz Europa die Preise dafür diktieren. Pfeffer wurde teurer und teurer und die Gewinnspannen der venezianischen Händler stiegen ins Unermessliche.

Nun, so etwas ist immer fragil: andere Nationen wurden neidisch, wollten auch ihren Anteil am Handel mit Pfeffer und anderen Gewürzen. Der portugiesische Seefahrer und Abenteurer Vasco da Gama bricht schließlich Ende des 15. Jahrhunderts auf, um einen Seeweg nach Indien zu suchen.

Und er war erfolgreich: er umsegelte das Kap der Guten Hoffnung, etablierte Handelsbeziehungen mit Indien und brachte eine gewaltige Ladung Pfeffer nach Lissabon – Venedig war fortan aus dem Rennen.

To make a long story short
Die möglichen Gewinne beim Pfefferhandel riefen schließlich noch die Holländer und auch die Engländer auf den Plan. Das Monopol der Portugiesen bröckelte. Und schnell überstiegen im 16. Jahrhundert die importierten Mengen an Pfeffer den Verbrauch in der Bevölkerung – die Preise stürzten ab, ebenso das Prestige von Pfeffer – und endlich wurde er auch für die Allgemeinheit erschwinglich.

Er wurde zum Allgemeingut: „Pfeffer ist die Petersilie der Tropen, das gemeinste und unentbehrlichste Gewürz der heißen Länder und seit Jahrhunderten auch der gemäßigten Zone“, konstatiert trocken das Appetitlexikon im 19. Jahrhundert.

Grün Schwarz Rot Weiß … noch etwas Botanik
Dunkles Schwarzbraun, cremefarbenes Weiß, zartes Grün oder kräftiges Rot: in diesen Farben begegnen uns die Pfefferkörner – und sie alle stammen von der gleichen Pflanze.

Grüner Pfeffer wird aus unreifen Früchten gewonnen. Um seine Farbe und sein Aroma zu behalten, wird er unmittelbar nach der Ernte entweder in Salzwasser eingelegt oder schnell bei hohen Temperaturen getrocknet. Wenn der grüne Pfeffer dagegen langsam in der Sonne trocknet, werden die Pfefferkörner runzlig und schwarzbraun – so wie unsere Haut nach zuviel Sonnenbaden. 🙂

Rot werden die Pfefferkörner erst, wenn sie so richtig reif sind. Diese werden getrocknet oder in Lake eingelegt – sind aber in Europa kaum zu finden. Schält man die roten Pfefferkörner und entfernt das ganze Fruchtfleisch, erhält man weißen Pfeffer, den nackten Kern des reifen Pfefferkorns.

Doch kein Pfeffer …
Rosa Pfefferbeeren, Chili-Pfeffer, Cayenne-Pfeffer, Sichuan-Pfeffer – sie alle schmecken wohl scharf, stammen aber von gänzlich anderen Pflanzen und gelten somit nicht als Pfeffer.

ArtFood: Essen mit Kunst.


Infos & Quellen
*Robert Habs: Appetitlexikon. Ein alphabetisches Hand- und Nachschlagebuch über Speisen und Getränke. Zugleich Ergänzung eines jeden Kochbuchs; gekürzte Neuauflage Insel-Verlag 2015 (Ursprünglich Mitte/Ende 19. Jahrhundert).
*Zitate: Stefan Zandt: Die Kultivierung des Geschmacks. Eine Transformationsgeschichte der kulinarischen Sinnlichkeit; 2021.

Bilder:
*Titelbild: 11082974, Pixabay.
*Gewürze: Peter H, Pixabay.
*Pfeffer hell: congerdesign, Pixabay.
*Pfeffer in Silberschale: erstellt mittels KI Adobe Firefly.
*Marktbild: erstellt mittels KI Adobe Firefly.
*Kloster: Peter H, Pixabay.
*Pfeffer schwarz: Kai Reschke, Pixabay.
*Pfeffer schwarz: Pexels, Pixabay.
*Marktbild mit Gewürzen: erstellt mittels KI Adobe Firefly.
*Venedig: Peggychoucair,Pixabay.
*Pieter Claesz: Stillleben mit Truthahn-Pie, 1627. Rijksmuseum.
*Pfeffer bunt: vwald, Pixabay.
*Pfeffer bunt: Дарья Яковлева, Pixabay.

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