Besser Ananasspalten als ein Pique-Bube

Frische Ananas mit Rahm, herrlich, oder mit Schlagobers und Staubzucker, auch seeehr köstlich – Kindheitserinnerungen an die Sommer im Burgenland.

Dass meine geliebten Ananas eigentlich Erdbeeren waren, habe ich so richtig erst in einem Sommer in Frankreich gelernt. Denn wenn man dort „Ananas avec glace à la vanille, s´il vous plaît“ bestellt, bekommt man eben Ananas mit Vanilleeis – und leider nicht Erdbeeren mit Vanilleeis.

In Europa war die Ananas natürlich eine äußerst exotische Pflanze, stammt sie doch aus Zentral- und Südamerika, die erst einmal entdeckt werden mussten. Nachdem das erledigt war, wurde ganz Südamerika im Jahr 1494 per Vertrag zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt. Über diese beiden Länder gelangten dann immer neue Früchte nach Europa, wie beispielsweise Paradeiser oder eben die Ananas.

Louis-Léopold Boilly: Der Feinschmecker

Aber anders als beispielsweise die früher ebenfalls seltene und sehr teure Zitrone, wurde die Ananas in der Kunst nur selten dargestellt. Vielleicht gibt es ja Gedichte, die der Ananas huldigen?

Ihren Siegeszug trat sie jedenfalls als Zierelement an. Im Kunsthandwerk oder als Dekoration ist sie weit verbreitet: Sei es als Deko-Objekt einer bekannten österreichischen Firma mit geschliffenen Glassteinen, sei es in der Mode oder als Geschirr. Zu den bekanntesten Beispielen zählt hier ein komplettes Teeservice im Ananas-Design der britischen Firma Wedgewood aus Mitte des 18. Jahrhundert.

Wedgewood Teeservice

Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden kostbare, meistens aus vergoldetem Silber gefertigte Ananaspokale. Ananasfrüchte aus Holz oder Stein zierten beispielsweise Gartentore, Zäune und Torpfosten. Damit konnte man einen vielleicht etwas extravaganten, jedenfalls aber gehobenen Lebensstil zeigen.

Aber es geht auch ein paar Nummern größer: Im Jahr 1761 verspürte der schottische Earl von Dunmore Lust auf ein neues Sommerhaus in seinem weitläufigen Park. Gesagt, getan. Um dem Ganzen den nötigen Pepp zu verleihen, ließ er ein paar Jahre später dem Gebäude eine große, weithin sichtbare Kuppel in Form einer Ananas aufsetzen – bis heute unter dem Namen Dunmore Pineapple bekannt.

Gebäude Dunmore Pineapple

Der Anbau der Ananas in Europa war eine heikle Sache. Da diese Frucht süd-amerikanisches Klima gewohnt war, gelang ihr Anbau nur in kostspieligen Glashäusern. So wurde aus dem Statussymbol Ananas allmählich ein Luxusgut. Die Früchte wurden nicht immer verspeist, teilweise waren sie lediglich Bestandteil der üppigen Tischdekoration bei Mahlzeiten. Manchen galt sie daher eher als Symbol für dekadenten Luxus.

Toast Hawaii

Andererseits wurde die Ananas als Königin der Früchte bezeichnet. Sie vereine „die Süße des Honigs mit dem Geschmack der Erdbeere, dem Duft des Weins, dem Aroma des Pfirsichs und der Saftigkeit der Melone“, heißt es im Appetitlexikon des 19. Jahrhunderts. Und: „Ananasschnitten roh mit Zucker zu einem Glas Rotwein oder Ananasbowle mit Champagner sind eine kleine Todsünde wert.“ „Auch für Ananasgelee und Ananasgefrorenes darf man sich ungescheut begeistern, und wer sein Geld in Ananasspalten von Baumer in Perchtoldsdorf anlegt, handelt entschieden gescheiter, als wer es der Cœur-Dame oder dem Pique-Buben opfert.“ Also: besser Obst essen als Karten spielen!

Wie jedoch nach diesen Hymen auf den Genuss der Weg in Richtung Toast Hawaii bzw. Pizza Hawaii geebnet wurde, ist nicht ganz klar … 🙂


Zur Abrundung der vielfältigen Verwendung der Ananas als Zierelement noch eine Anekdote aus der Sportwelt. Wer von euch sich mit Tennis auskennt, weiß, dass das Turnier im englischen Wimbledon das älteste und prestigeträchtigste Event im Tenniszirkus ist. Interessant ist für ArtFood dabei die Trophäe für den Einzelsieg bei den Herren: Der Siegerpokal ist mit einer goldenen Ananas verziert.

Siegerpokal Herren Einzel, Wimbledon

Das Warum ist auch den Verantwortlichen in Wimbledon selbst nicht ganz klar. Entweder handelt es sich um eine Tradition, nach der britische Schiffskapitäne bei ihrer Heimkehr aus der Karibik eine Ananas auf dem Zaunpfosten ihres Hauses platzierten, um ihre unversehrte Rückkehr anzuzeigen (und auch hier könnte man natürlich nach dem Warum fragen …). Oder aber die Ananas ist schlicht und einfach ein Zeichen für Reichtum und Status bzw. für Wertschätzung den Gästen gegenüber.

Und um den Kreis dieses Postings zu schließen: was wird im Laufe des zweiwöchigen Tennisturniers in Wimbledon von den Zuschauern und Zuschauerinnen am meisten verspeist? Erdbeeren – und zwar knapp 30 Tonnen pro Turnier, vorzugsweise serviert mit Crème Chantilly, also gezuckertem Schlagobers.  🙂


Infos & Quellen

*Ziemlich viel über die Ananas: Wikipedia.
*Zitat Ananas: Robert Habs: Appetitlexikon. Ein alphabetisches Hand- und Nachschlagebuch über Speisen und Getränke. Zugleich Ergänzung eines jeden Kochbuchs; gekürzte Neuauflage Insel-Verlag 2015 (Ursprünglich Mitte/Ende 19. Jahrhundert).
*Louis-Léopold_Boilly: Wikipedia.

Bilder:
*Titelbild: Scott Webb, Pixabay.
*Erdbeeren mit Schlag: Christine Sevdas, Pixabay.
*Ananas-Poster: polytonejoe, Pixabay.
*Teekanne, Thomas Whieldon und Josiah Wedgwood, 1760-1765: Wikipedia.
*Dunmore Pineapple: themightyzor, Pixabay.
* Toast Hawaii: Markus Distelrath, Pixabay.
*Ananas: Manfred Richter, Pixabay.
*Wimledon Pokal Tennis: Clipart.

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