Grasiela aus Brasilien und ein namenloser Österreicher

So, wie in einer Bank nicht nur Geld & Gold lagern, sondern auch Käse, muss auch nicht jede Bibliothek bloß Bücher beherbergen, stattdessen beispielsweise … Sauerteige! Brot selber backen, das ist in Corona-Zeiten ja sehr beliebt geworden. Derzeit besonders populär: Sauerteig züchten. Man hört und liest, dass viele Menschen ihrem Sauerteig einen Namen geben … Nun gut, jede & jeder hat ein … Hobby 🙂

Sauerteig …
… ist im Wesentlichen ein Gemisch aus Mehl und Wasser mit Jahrtausende langer Geschichte. Ein römischer Gelehrter und Beamter namens Plinius der Ältere beschrieb bereits im Jahr 79 (vor unserer Zeitrechnung) wie man Sauerteig durch die Vermischung von Weizenkleie mit drei Tage altem Traubenmost herstellt.

Die Mikroorganismen, die den Teig „gehen“ lassen, kommen im Mehl ganz natürlich vor. Und darin liegt eine der Ursachen für die mögliche Vielfalt: wie Wein wächst auch das Getreide für Brot in den unterschiedlichsten Gegenden. Neben den verschiedenen regionalen Getreidesorten, sorgen also auch das jeweilige Klima, die Luftfeuchtigkeit, der jeweilige Boden und die regional natürlich vorkommenden Mikroorganismen schon für Vielfalt.

Analoge Bibliothek …
Dieser Vielfalt an Teigen ist eine eigene Bibliothek gewidmet. Woher ich das weiß? Aus dem wunderbaren Film mit dem schlichten Titel „Brot“ von Harald Friedl. In diesem Film wird unter anderem die weltweit einzige Sauerteig-Bibliothek vorgestellt. Entwickelt und aufgebaut wurde diese Bibliothek vom Unternehmen Puratos, einem international agierenden Hersteller von Produkten und Zusatzstoffen für die Backindustrie.

Quelle: Puratos

Um innovativ zu bleiben, ist immer viel Recherche erforderlich. Die erwähnte Sauerteig-Bibliothek nahm ihren Anfang im Staunen über die Vielfalt der italienischen Sauerteig-Brote. In kürzester Zeit sammelten beinahe 20 unterschiedliche Teige zur Analyse in den Laboren des Unternehmens. Und dann wollte ein alter libanesischer Bäcker noch seinen alten Kichererbsenteig vor seinen eigenen Söhnen retten, die nach Übernahme der Backstube alles neu machen wollten.

… und digitale Datenbank
Mittlerweile lagern in beschrifteten Gläsern in den Kühlschränken der Sauerteig-Bibliothek weit über 100 unterschiedliche Teige aus aller Welt. Darüber hinaus wurde eine Online-Datenbank aufgebaut, in der bereits angeblich an die 2000 unterschiedliche Sauerteige registriert sind.

Grasiela aus Brasilien und ein namenloser Österreicher
Hugo Anselmo aus Belgien beispielsweise ist 98 Jahre alt, Grasiela aus Brasilien knapp 25, Boris aus Großbritannien ist dagegen noch kein Jahr alt. Ein Österreicher ist auch dabei, der scheint allerdings keinen Namen zu haben.

Ja, wie eingangs schon erwähnt, viele Sauerteige haben tatsächlich Namen. Der erste österreichische Sauerteig, der in die Bibliothek aufgenommen wurde, trägt die Nummer 95 in den Kühlregalen, die zur Region Europa gehören. Es handelt sich dabei um einen siebenjähriger Roggensauerteig der Bäckerei Haubenberger in Niederösterreich. Das ist ein wunderbarer Erfolg, denn in die Bibliothek findet man nicht so schnell Eingang wie in die Online-Datenbank.

Vielfalt …
Ziel dieser ganz besonderen Sammlung ist die Erhaltung der Vielfalt an Sauerteigen aus aller Welt. Damit verbunden ist auch die Bewahrung der zahlreichen traditionellen Verfahren zur Herstellung von Sauerteig. Wichtigstes Kriterium für die Aufnahme in die Bibliothek: es muss sich um einen natürlichen Sauerteig handeln. Das bedeutet, dass zur Gärung des Brotteiges keine Starterkulturen verwendet werden – der Teig muss also durch spontane Gärung entstanden sein.

… durch Erdbeeren, Kuhmist und die Bäckerhände
Neben der oben bereits erwähnten Vielfalt beim Getreide sind noch weitere Faktoren wichtig. Eine weitere Zutat ist Wasser. Auch dieses ist regional unterschiedlich. Darüber hinaus verwenden manche Bäcker und Bäckerinnen gesüßtes oder gewürztes Wasser. In Italien wurde das Wasser für den Panettone-Sauerteig früher angeblich mit getrocknetem und geriebenem Kuhmist versetzt. Zum jeweiligen Getreide und Wasser gesellt sich zu guter Letzt auch noch der individuelle Schweiß der backenden Hände. Genug Stoff für Vielfalt!


Infos & Quellen
*Sauerteig: Wikipedia.
*Trailer zum Film „Brot“ von Harald Friedl: YouTube (5m 12s).
*Puratos Sauerteig-Bibliothek.
*Virtueller Rundgang durch die Sauerteig-Bibliothek.
*Sauerteig Datenbank.
*Bäckerei Haubenberger: https://haubis.com/de/

Bilder:
*Titelbild Sauerteig: Thomas Bock auf Pixabay.
*Teig kneten: Devanath auf Pixabay.
*Sauerteig Bibliothek: Puratos.
*Kleine Brote: markcraemers auf Pixabay.
*Bildcollage Sauerteig: 5124347 auf Pixabay.

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