Wenn der Kaiser von China …

… durch seine Gemächer in der Verbotenen Stadt im Herzen Pekings wandelte und plötzlich Hunger verspürte, bekam er nicht einfach eine Schale Suppe mit warmem Reis und Frühlingszwiebeln serviert.

Hofzeremonie in der Verbotenen Stadt

Sobald der Kaiser, der als Zentrum der Welt angesehen wurde, befahl: „Reicht die Viktualien dar!“, setzte sich ein Tross von einigen Dutzend Eunuchen in Bewegung. Zahllose Speisen aus der Kaiserlichen Küche, rot lackierte Dosen, mit goldenen Drachen bemalte Kästen, kaisergelbes Porzellan, diverse unterschiedlich große Tische, gewärmte silberne Teller wurden für die Kaiserliche Tafel aufgebaut – bis endlich ein Jung-Eunuche in weißen Ärmelstutzen ausrufen konnte: „Entfernt die Deckel!“.


Das Ausmaß eines kaiserlichen Mahles schildert Pu Yi, der letzte Kaiser von China, in seiner Autobiografie folgendermaßen: „Der Entwurf eines Speiseplans für den März 1911 zählt folgende Gerichte für die erste der zwei Hauptmahlzeiten auf:

° Ente der dreifachen Köstlichkeit (Ente, Schinken, Huhn mit Pilzen in besonderer Soße)
° Geschnetzeltes Hühnerfleisch mit Gemüse
° Ein ganzer gesottener Schinken
° Ein ganzes gedämpftes Huhn mit Kaiserlichen Pilzen
° Geschnetzeltes Rindfleisch mit gedünstetem Gemüse
° Hammelfleisch mit zartem Spinat und Bohnenquark
° Süße, frische Südliche [sic] Kirschen mit Kartoffeln
° Gedämpftes Fleisch und Gemüse im Feuertopf
° Seeigel in eingekochter Entenbrühe
° Glasierte Ente scharf gewürzt
° Kaiserlicher Reis mit Süßkartoffeln
° Gebackene Pilze
° Schweinefleisch in Würfeln mit Broccoli
° Hauchdünn geschnetzeltes Lammfleisch mit gewürztem Gemüse
° Geröstete Auberginen
° Charlotten mit geschnetzeltem Fleisch
° Kalte Kutteln mit Wein und Gewürzen mariniert
° Bohnenquark angerichtet mit Gewürzen, Soja-Bohnensoße und getrockneten Gemüsen
° Getrockneter, geräucherter Bohnenquark mit Bambussprößlingen, Ingwer und anderen Gewürzen
° Gewürztes, trockenes Wildbret
° In Fett gebratenes ausgesuchtes Gemüse
° Fleischbrühe zum Gedenken der Ahnen
° Gedünstete Kutteln und Lunge.“


Wohlgemerkt, das war nur die erste von zwei täglichen Hauptmahlzeiten! Das Beste daran ist aber, dass alle diese Speisen nur als Dekoration gedacht waren. Stundenlang, manchmal auch tagelang im voraus wurde in der Großen Kaiserlichen Küche gekocht, gerührt, geschnetzelt, gebraten, gewürzt und über dem Feuer warm gehalten. Und sobald der Kaiser Hunger hatte, wurde flugs sozusagen das Bühnenbild aufgebaut. Der Kaiser hat letztendlich nur das gegessen, was ihm die Kaiserfrauen – ob Witwen oder Gemahlinnen spielte dabei keine Rolle – aus ihren eigenen Küchen schicken ließen (auch das meist mindestens 20 unterschiedliche Speisen). Alles andere war also bloß Inszenierung und diente lediglich als Kulisse für das Kaiserliche Mahl.

Pu Yi

PS: Auch das österreichische Kaiserhaus hat sich mit ähnlichen Mengen und Herausforderungen herumgeschlagen: Habs-Burger & ihr Reiseproviant
PPS: Ich gehe mal davon aus, dass „Bohnenquark“ eine unglückliche Übersetzung für Tofu ist… 😉


Infos & Quellen
*Die oben angeführte Aufzählung ist folgendem Buch entnommen:
Pu Yi: Ich war Kaiser von China; dtv Neuausgabe 2009.

Bilder:
*Hofzeremonie in der Verbotenen Stadt unter Kaiser Qianlong; Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert.
*Portrait Pu Yi: Encyclopædia Britannica.
*Andere: Alice Schmatzberger.

%d Bloggern gefällt das: