Mädel, Knödel und die Herrn

Berühmt: die Wiener Küche – die angeblich weltweit einzige Kochkunst, die nach einer Stadt benannt ist.
Berühmt-berüchtigt: Die österreichischen Heimatfilme der Nachkriegszeit.
Ergibt zusammen? Einen Film namens „Die Wirtin vom Wörthersee“ (aka Die Wirtin von Maria Wörth) mit einem Lied namens „Zwetschkenknödel“.


Über die unglaubliche Beliebtheit von Zwetschkenknödel in der Wiener Küche habe ich hier ja schon mal erzählt – das Zwetschkenknödel-Lied aus dem Jahr 1952 war dann doch noch eine Überraschung!

Also: die Wirtin vom Wörthersee ist verwitwet und muss das Seehotel alleine schupfen. Aber ihre Zwillingstöchter haben einen Plan: Mami soll mit einem reichen Amerikaner verkuppelt werden – was letztlich auch gelingt. Und damit ist auch schon alles gesagt über diesen Film.


In der Küche geht es in diesem Film durchwegs fröhlich zu, es wird gesungen, zum Beispiel die Zwetschkenknödel-Polka:

Zwetschkenknödel-ödel-ödel
Man nehme Kartoffel und koche sie mit Salz,
man schält sie, passiert sie und mischt sie mit Mehl und Schmalz.
Zum Ganzen ein Ei noch, weil das dem Teig sehr nützt.
Und knetet und knetet und knetet, bis man schwitzt.
Zerstückelt und wickelt da Pflaumen noch hinein.

Und wirft dann das Ganze ins heiße Wasser rein.
Wenn das Wasser dann wallt, dann hat man sie sehr bald.
Zwetschkenknödel machen Mädel so gern.
Zwetschkenknödel finden edel die Herrn.
Nur die Damen halten sich zurück,
denn sie sagen, man wird davon so dick – von fünfzig Stück.

Zwetschkenknödel machen Mädel nur gern für Herrn.
Und legt man Gefühl rein und Zucker, Mohn und Herz,
so essen die Männer bestimmt nicht anderwärts.
Es ist wie ein Zauber, dem jeder gleich verfällt,
denn rund wie ein Knödel ist schließlich auch die Welt.
Der Mensch kommt in Stimmung – war ers auch vorher nicht,
und selbst einem Griesgram verklärt sich das Gesicht,
Wenn es so vor ihm dampft, und er so selig mampft.

Dieser Film atmet natürlich heftig den Zeitgeist der frühen 1950er Jahre. Immerhin ist die Welt hier keine Scheibe mehr! Das Lied ist allerdings nicht nur eine Hymne auf die Süßspeise. Eigentlich ist es eine vertonte Kochanleitung, ein gesungenes Rezept, die musikalische Umsetzung der kulinarischen Zubereitung, Musik im Rhythmus des Knetens und Zubereitens der Knödel. Aber man kann noch viel mehr raushören: Neben dem Kulinarischen bietet dieser Liedtext auch Einblicke in das zeithistorische soziale Selbstverständnis.

Die Wirtin vom Wörthersee ist alleinstehend und Frau ist natürlich unvollständig ohne Mann, so weit so klar. Man lernt aber auch einen Unterschied zwischen den Mädeln und den Damen: die einen kochen und essen gerne, die anderen schauen „auf ihre Figur“, sie halten sich beim Essen zurück. Eine Verhaltensweise, die hier ganz deutlich mit einem höheren sozialen Stand assoziiert wird. Man bzw. eigentlich Frau kann es sich also leisten, sich beim Essen zurückzuhalten, weil ohnedies immer genug da ist. Und es gibt Zeit und Muße, sich auf die eigene äußere Erscheinungsform zu konzentrieren. In der letzten Strophe wird schließlich noch ein Zusammenhang zwischen hausfraulicher Fürsorge und Treue des Mannes hergestellt. Denn wenn die Hausfrau nicht nur mit Mohn, Zucker und Zwetschken, sondern auch mit Herz und Gefühl kocht, also die ganzen haushaltlichen Tätigkeiten von Herzen gerne erfüllt, dann, ja dann wird der Mann auch nicht „andernwärts essen“. Er verfällt selig dem Zauber des heimatlichen Herds.

Leider konnte ich trotz langer Suche keine frei zugängliche Vertonung dazu finden.


Infos & Quellen
*Wiener Küche: Wienwiki.
*Credits Film: FilmportalAustriaWiki.
*Playlist:
Komponist: Hans Lang
Textdichter: Erich Meder. https://www.erichmeder.at
Titel: Zwetschkenknödel / Lied aus dem Film „Die Wirtin vom Wörthersee“
Solistin: Maria Andergast
Solist: Hans Lang

Bilder:
*Zwetschken: Bild von andreas N auf Pixabay.
*Knödel: Bild von Reinhard Thrainer auf Pixabay.
*Filmplakat, Filmstill: Film.at.
*Retro Poster: Bild von Oberholster Venita auf Pixabay.

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