Unsterblicher Ruhm und freie Zeche

Wie kommt man dazu? Durchs Essen: im alten Wien haben Zwetschkenknödel-Wettessen stattgefunden und diese waren sogar äußert populär!


In den Altwiener Küchengeschichten von Thomas Hofmann wird so ein Zwetschkenknödel -Wettessen vom September 1891 genauer beschrieben: „In dem Gasthause des Herrn Karl Kreuz, Hernalser Hauptstraße Nr. 135, fand gestern, wie alljährlich zur „Zwetschkenzeit“, ein großes Zwetschkenknödel-Wettessen statt, an welchem sich circa zweihundert Personen betheiligten. Die Wirthin, Frau Kreuz, stellt zu diesem Zwecke über 2000 Zwetschkenknödel her, und zwar auf böhmische Art aus Kartoffelteig. Eine aus fünf Zwetschkenknödeln bestehende Portion kostete zehn Kreuzer.

Ein Theilnehmer hatte sich, wie das „Extrablatt“ berichtete, nacheinander elf solche Portionen angeschafft und bis auf die Zwetschkenkerne aufgezehrt. Nachdem dies geschehen war, bediente er sich noch dreier Knödel, für welche einer seiner Tischnachbarn in seinem Magen nicht mehr Platz fand.

Er hatte somit nicht weniger als achtundfünfzig Zwetschkenknödel vertilgt, womit er die höchste Leistung erzielte. Herr Schulz, der Mann mit den 58 Zwetschkenknödeln, ein rüstiger Tramway-Conducteur, hatte somit den ersten Preis, bestehend aus einem sehr schönen Deckel-Trinkglase, gewonnen. Die Frau eines Tramway-Conducteur Namens Meißner gewann den Damenpreis. Sie hatte zum Erstaunen Aller vierunddreißig Zwetschkenknödel gegessen.“

Mit oder ohne alle Bestreuung
Mehlspeisen haben in der Wiener Küche seit jeher einen ganz besonderen Platz eingenommen – all die Strudel und Kuchen, Kipferl und Schmarren, Buchteln und Krapfen! Die Besonderheit der Zwetschkenknödel beschreibt das Neues Wiener Journal im Mai 1897 folgendermaßen (ebenfalls in den Altwiener Küchengeschichten):


„Eine Saisonspeise par excellence, die den integrirenden Bestandteil jedes Gasthaustisches, welchen Ranges er auch immer sei, bilden muß, sind die „Zwetschkenknödel“. Man ißt sie in verschiedener Form, aus Germ- oder aus Erdäpfelteig, mit Semmelbröseln, mit Mohn oder ohne alle Bestreuung.

Zwetschkenknödel sind aber auch ein Artikel, der die Sportgelüste der Wiener befriedigen kann. Alljährlich wird ein Match ausgefochten; wer die meisten Knödel vertilgen kann, erringt unsterblichen Ruhm, und freie Zeche winkt dem, der als Sieger aus dem heißen Kampf hervorgeht. Den zahlreichen Freunden dieser populären Mehlspeise sei die gewiß interessirende Mittheilung gemacht, daß der Record im Zwetschkenknödelessen zur Zeit siebzig Stück „auf an´Sitz“ gehalten wird. Dies ist der Weltrecord!“

Ein Volk der Fresser und Pampfer!
Der Architekt Adolf Loos, von dem im Gewürzregal beim Salz ja schon einmal die Rede war, hat sich gerne und oft über die Wiener Küche seiner Zeit geäußert – aber wie! Seine Tiraden gegen die rückständige und schwere Wiener Küche hat er nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin und Paris ausgeführt. Das hat naturgemäß heftige Gegenreden, Gegenvorträge und Verteidigungsschriften ausgelöst sowie zu zahllosen Kommentaren in den diversen Wiener Feuilletons geführt, denn: „Die Wiener Hausfrauen aber sind nicht gesonnen, den Schimpf auf ihrer Küche sitzen zu lassen.“ Sogar der Verband der Köche Österreichs hat sich bemüßigt gefühlt, sich dazu äußern. Bitt´schön, muß das sein, Herr Loos!

Gegen die Wettessen von Zwetschken- oder Marillenknödel hat Loos besonders gewettert – obwohl diese zu seiner Zeit, im Wien der Zwischenkriegszeit, gar nicht mehr üblich waren. Und er hat seine Kritik mit einem überraschenden sozialen Seitenhieb auf die Wiener verknüpft. „Der Wiener, sagt Loos, verfrißt alles, und wird es deshalb nie zu was bringen. Deshalb ist es gar nicht gut, wenn er zuviel Lohn hat, er verwandelt ihn ohnehin nur in Zwetschkenknödel.“

Dazu kommentierte der berühmte Schriftsteller Alfred Polgar: „Er [Adolf Loos; Anm.] geht fehl mit seiner Behauptung, die Zwetschkenknödel seien schuld an dem schweren Geist des wienerischen Menschen, denn der Geist ist es, der sich die Zwetschkenknödel baut, und nicht umgekehrt.“


Infos & Quellen
*Anekdoten & Zitate zum Zwetschkenknödel-Wettessen entnommen aus: Thomas Hofmann (Hg.): Altwiener Küchengeschichten. Erlesene Geschichten & feine Feuilletons; Erhard Löcker Verlag 2019.
*Anekdoten & Zitate von Adolf Loos und Alfred Polgar entnommen aus: Markus Kristan (Hg.): Adolf Loos Hummer unter der Bettdecke. Delikates über den guten Geschmack; Metroverlag 2011.

Bilder:
*Titelbild: Wiener Zucker.
*Rohe Knödel: Bild von RitaE auf Pixabay.
*Zwei gezuckerte Knödel: Bild von Leonhard Niederwimmer auf Pixabay.
*Zwetschkenknödel: Bild von Hebi B. auf Pixabay.
*Marillenknödel in der Pfanne: Bild von RitaE auf Pixabay.
*Marillenknödel: Bild von RitaE auf Pixabay.

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